Das Internat
 

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Illustrierte Fetisch-Geschichte
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Beschreibung

In einer nicht so fernen Zukunft haben sich in den USA die MAGA-Spinner, die Evangelikalen und Kreationisten durchgesetzt und formen das zunehmend abgeschottete Land (weiter) nach ihren Vorstellungen um.

Lindsey wuchs in Freiheit und unbeschwert im noch demokratischen Kanada auf, bis die Ehe ihrer Eltern zerbrach und ihr geliebter Dad in die USA übersiedelte, weil er dort einen sehr gut bezahlten Job bekam.

Beim Versuch, ihren Dad endlich zu besuchen, wird Lindsey mit einem Trick dazu gebracht, sich in ein Internat einweisen zu lassen. Dort werden aus renitenten Ausländerinnen Gespielinnen für die Eliten des Landes gemacht und nicht nur durch Gehirnwäsche zu hilflosen und angepassten »Ehefrauen« erzogen. Lindsey bleibt nur eine Wahl, um dem zu entrinnen.

Vorwort

»So schlimm wird es schon nicht werden«.

Kennen Sie diesen Satz auch? Verwenden Sie ihn womöglich selbst hin und wieder?

Normalerweise ist das hier ja eine reichlich »einseitige« Angelegenheit. Ich schreibe. Sie lesen. Ich hoffe, Sie fühlen sich bei der Lektüre gut unterhalten und im Optimalfall auf möglichst mehreren Ebenen angeregt. Feedback durchbricht diese Einseitigkeit und zahlreiche Zuschriften geben mir das Gefühl, dass ich meine Sache doch ganz ordentlich mache. Eher selten, aber doch ab und zu, entwickelt sich auf diese Weise sogar ein Dialog.

Derartige Dialoge beginnen meistens damit, dass mir Wünsche zu bestimmten Themen, Fetischen oder Neigungen mitgeteilt werden. Nicht selten steht am Beginn auch ein »Aha-Effekt«, oft geprägt von der (wohl unerwarteten) Erkenntnis, dass es Menschen gibt, die bestimmte Vorlieben, Neigungen oder gar Prägungen teilen. So erreichte mich nach dem Erscheinen von »Wolfsbraut« beispielsweise eine regelrechte Flut von Zuschriften meist sehr junger Frauen, in denen mir durchaus dankbar mitgeteilt wurde, ich hätte ganz präzise ihre (bis dahin) »geheimen« Fantasien beschrieben. Auch männliche Leser schreiben mir mitunter Nachrichten, die mich wirklich bewegen und einerseits Erleichterung darüber zum Ausdruck bringen, dass sie nun nicht mehr glauben, mit ihren individuellen Vorlieben und Neigungen ganz allein auf dieser Welt zu sein. Andererseits kam es auch schon vor, dass mir Männer schrieben, nach der Lektüre künftig respektvoller mit Frauen umgehen zu wollen.

So schön dies auch ist – manchmal fehlt mir leider die Zeit und es kann auch mal Wochen oder gar länger dauern, bis ich es schaffe, auf eine ausführliche oder prägnante Zuschrift angemessen zu reagieren.

Dennoch möchte ich die Gelegenheit nutzen, Sie auf diesem Wege nach Ihrer Meinung zu einem speziellen Thema zu fragen.

Nun ist es ja die originäre Aufgabe des Romanciers, sich mit den Tiefen und Untiefen des Menschseins zu beschäftigen. Ein gewisses Verständnis für Bedürfnisse und Motivationen, für Entwicklung und Veränderung sollte man sich da schon aneignen und so manche Dinge hoffe ich mit der Zeit auch verstanden zu haben. So denke ich, grundsätzlich begriffen zu haben, wie pure Biologie (ganz im Sinne Schopenhauers) unser aller Verhalten bestimmt, kenne mich mit Hormonen und sonstigen Botenstoffen halbwegs aus und stehe nicht mehr fassungslos da, wenn beispielsweise Frauen nicht von Männern wegkommen, von denen sie wie Fußabtreter behandelt werden – weil ich um die Wirkung und die mit Heroin vergleichbare Kraft des Bindungshormons Oxytocin weiß.

Was ich aber immer noch nicht verstanden habe, ist, wie es sein kann, dass sich Menschen (beiderlei Geschlechts) nicht selten wie Lemminge verhalten. Gut, es mögen Verdrängungsmechanismen wirken, aber mir reicht das als Erklärung nicht wirklich aus.

Ihre Meinung interessiert mich.

Vielleicht haben Sie einmal Zeit und Lust, mir an chrisdell@dellicate.com zu schreiben, wie Sie über die nachfolgenden Beispiele denken. Ich wäre für jeden Erkenntnisgewinn dankbar.

Beispiel 1:

Der Antisemitismus ist schon über 2000 Jahre alt. Tonangebend war dabei zunächst Paulus. In der Apostelgeschichte sind Juden Verräter und Mörder und im Johannesevangelium der »Inbegriff der Schlechtigkeit«[1]. Im 2. Jhdt. prägte der Bischof von Antiochien, Ignatius, für Juden den Begriff »Sauerteig«[2], der beseitigt gehört. In dieser Tradition erklärte der Antisemit Martin Luther: »Dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke und das, was nicht verbrennen will, mit Erden überhäufe und beschütte, dass kein Mensch ein Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solches soll man tun unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien.«[3] Da jeder geistige Brandstifter irgendwann einen Vollstrecker findet, war es also nur eine Frage der Zeit, bis irgendwann tatsächlich die Synagogen brennen würden. »Aus dem ursprünglichen eigenen Wesen aber kann der Jude eine religiöse Einrichtung schon deshalb nicht besitzen, da ihm ja der Idealismus in jeder Form fehlt und damit auch der Glaube an ein Jenseits vollkommen fremd ist. (…) Sein Leben ist wirklich nur von dieser Welt und sein Geist ist dem wahren Christentum zum Beispiel innerlich so fremd, wie sein Wesen es zweitausend Jahre vorher dem hehren Gründer der neuen Lehre selber war.«[4]

Nein, dieses Zitat stammt nicht von Martin Luther, sondern von Adolf Hitler.

»Sofort nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler und die NSDAP begann der systematische Ausschluss der ca. 525 000 Jüdinnen und Juden (ca. 0,77% der Gesamtbevölkerung), die 1933 in Deutschland lebten, aus der Gesellschaft durch Diskriminierung und Verfolgung. (…) Das neue Regime erließ immer weitere Bestimmungen, die die Freiheit Berufe auszuüben, die Teilnahme am öffentlichen Leben etc. für Jüdinnen und Juden einschränkten. (…) Die sogenannten ›Nürnberger Gesetze‹, die am 15. September 1935 während des jährlichen Parteikongresses der NSDAP in Nürnberg verabschiedet wurden, wurden in Deutschland zur gesetzlichen Grundlage für den Ausschluss der Juden aus dem öffentlichen Leben.«[5]

»Schon im Frühjahr [1933; d. Verf.] begann die erste Judenverfolgung.«[6] Am 20.07.1933 schlossen Vatikan und Nazideutschland das Reichskonkordat. Dies kommentierte der damalige Erzbischof von München, Kardinal Faulhaber, wie folgt: »Papst Pius XI hat als erster Souverän des Auslandes mit der neuen Reichsregierung im Reichskonkordat einen feierlichen Vertrag abgeschlossen, von dem Wunsche geleitet, die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu fördern.«[7]

»Auf welche Weise in diesem Gesamtplan der Kampf gegen die Juden durchgeführt werden sollte, dazu äußert sich Hitler in ›Mein Kampf‹ nicht konkret. Es ist auch nicht sicher, dass er zur Abfassungszeit des Buches bereits zur vollständigen Auslöschung des jüdischen Volkes entschlossen war. In der Logik seines Denkens ist der Judenmord allerdings schon angelegt. Das große Ziel, das man verfolgt, solle man dem Volke nicht verkünden, weil man die kleinen Geister damit verschrecken würde, schrieb Hitler in ›Mein Kampf‹ und empfahl, das große Ziel in kleine Etappenziele zu zerlegen, deren Sinn nur der erkenne, der das Endziel im Blick hat. Es ist also denkbar, dass Hitlers Zurückhaltung in Bezug auf die Verkündung des Judenmords hierin ihren Grund hat. Doch wie immer das einzuschätzen ist – dass die ›Judenfrage‹ Hitler bis zum letzten Atemzug beschäftigt hat, steht außer Zweifel. Kurz vor seinem Selbstmord verfasste Hitler ein ›politisches Testament‹, in dem er die Deutschen noch einmal auf ihre Mission einschwört: nämlich diese Frage, die ›Judenfrage‹, einer endgültigen Lösung zuzuführen.«[8]

»In der Logik seines Denkens ist der Judenmord allerdings schon angelegt.« Nicht nur in Hitlers Logik!

Wie kann man das verdrängen?

Noch erstaunlicher: Wie konnte man als Betroffener in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht fluchtartig das Land verlassen? Kann Heimatliebe größer sein als die Angst vor dem eigenen Tod? Wie konnte man angesichts von Reichspogromnacht und Deportationen darauf hoffen, womöglich etwas »auszusitzen«?

Beispiel 2:

Als Leserin oder Leser meiner Bücher haben Sie sicher schon an der einen oder anderen Stelle Zitate der abscheulichen Texte in Bibel und Koran über Frauen gelesen. Sie kennen die Haltung dieser »Weltreligionen« gegenüber Frauen.[9]

Sie wissen aber auch, dass zumindest in zivilisierteren, westlichen Ländern die Aufklärung unter großen Opfern dazu beigetragen hat, dass die schlimmsten Pamphlete selbst von ihren Verfechtern und Verharmlosern nicht mehr allzu wörtlich und offensiv, sondern höchstens noch subtil umgesetzt werden.[10]

Warum aber wundert man sich darüber, dass dort, wo es nie eine Aufklärung gegeben hat, Frauen ganz offen und unverblümt wie Dreck behandelt werden?

Wieso tut man entrüstet, wenn die Taliban in Afghanistan ihre Frauen in Säcke stecken, wenn sie die Frauen von Universitäten fernhalten[11] und überhaupt aus dem öffentlichen Leben verbannen? Kennen Sie nicht die Mär vom Frosch und dem Skorpion? Es ist kein Auswuchs, keine Entgleisung – es ist das Wesen![12]

Wieso schickt man den Taliban humanitäre Hilfe? Weil man glaubt, die Taliban geben diese Hilfe an ihre Opfer weiter? Weil man glaubt, so noch stärkere Flüchtlingsströme vermeiden zu können? Wie naiv kann man sein?!

Wieso wundert man sich, wenn im Iran Tausende Mädchen an Schulen vergiftet werden[13]? Kennt die Menschheitsgeschichte ein einziges Beispiel eines kleinschwänzigen Schwachmaten, der es gut findet, wenn Frauen Bildung erhalten? Kennt denn niemand die Aussagen und die Schriften der Täter und das, worauf sich diese berufen? Hat schon ein einziges Mal in der Menschheitsgeschichte »Wandel durch Annäherung« mit religiösen Fanatikern funktioniert? Haben diese schon ein einziges Mal ihr wirres Weltbild, angefangen vom Terrazentrismus über die flache Erde, die »minderwertigen« Frauen und »Rassen«, die Verfolgung und Vernichtung Anders- oder gar Ungläubiger bis hin zu den Globuli ohne Zwang und ganz freiwillig aufgegeben?

Glaubt jemand ernsthaft, man käme dem Terror der Mullahs bei, indem man mal zwei Diplomaten ausweist?![14]

Beispiel 3:

Ein Geständnis vorweg: Ja, ich habe mich geirrt. Ja, ich hatte mich nicht gut genug informiert. Ja, ich hatte auch geglaubt, in Putin den kühlen, rationalen Gegenpol z.B. zum Vollidioten Trump, seinen schwachsinnigen Helfern und seinen verblendeten Anhängern sehen zu sollen.

Pustekuchen!

Inzwischen weiß ich, dass Putin seinen neoimperialen Wahn u.a. auf die Säule der Orthodoxie stützt[15]. Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass er selbst an den Kram glaubt. Religiöse Erweckungserlebnisse im Alter finden höchstens bei Menschen statt, die als Kind schon entsprechend »vorbereitet« wurden und die Indoktrination beim KGB dürfte wohl eher weniger religiöser Natur gewesen sein (abgesehen vom quasi-religiösen Charakter aller totalitären Ideologien). Die Fakten zeigen aber, dass Putin in seinem Streben nach absoluter Macht, um es rheinisch auszudrücken, wirklich vor gar nix fies ist.

Inzwischen kenne ich den Inhalt von Putins Grundsatzrede vom 12.07.2021, in dem er das Existenzrecht der Ukraine in Abrede stellt und seine Großmachtfantasien darlegt[16].

Wie bei Hitler können nur Uninformierte behaupten, sie hätten »es nicht kommen sehen«. Am 07.03.1936 marschierten deutsche Truppen ins entmilitarisierte Rheinland ein. Die Welt grummelte und zuckte mit den Schultern. Am 12.03.1938 annektierten die Nazis Österreich. Die Welt grummelte und zuckte mit den Schultern. Am 29.09.1938 wurde das »Münchner Abkommen« geschlossen, mit dem Hitler das Sudetenland annektierte. Die Welt grummelte und zuckte mit den Schultern. Am 23.03.1939 marschierten deutsche Truppen ins Litauische Memelland ein. Die Welt grummelte und zuckte mit den Schultern.

Was am 01.09.1939 geschah, wissen inzwischen alle.

Ach ja – weil sich Geschichte eben doch wiederholt: Was am 10.10.1936 geschah, führte kaum zu einem Grummeln und statt gezuckter Schultern gab es sogar Beifall von den üblichen Verdächtigen, weil nämlich in Deutschland die Reichszentrale zur Bekämpfung von Homosexualität und Abtreibung gegründet wurde.

Als Russland 2014 die Krim annektierte, grummelte die Welt und zuckte mit den Schultern. Man mag von Wolfgang Schäuble politisch halten, was man will, aber er sah die Parallelen[17]. Merkel und Steinmeier distanzierten sich – aber nicht von Putin, sondern von Schäuble … und brachten später Northstream 2 auf den Weg.

Hinterher ist man immer schlauer, heißt es oft, aber wer nach dem 12.07.2021 (s.o.) immer noch nicht »schlau« war, muss sich fragen lassen, ob er nicht zu den drei Affen gehört. Ich gehörte jedenfalls dazu, weil ich nicht sehen wollte, was nicht sein durfte.

Jetzt (März 2023) ist seit einem Jahr wieder Krieg in Europa und viele tausend Af… Menschen demonstrierten in Berlin für Frieden und Verhandlungen – mit russischen Fahnen. Vorweg: Ich habe keine Fragen zu Frau Schwarzer. Jeder, der ihre Auftritte halbwegs unvoreingenommen beobachtet, sieht den Rausch der vermeintlich wiedererlangten Geltung und Aufmerksamkeit. Ich habe auch keine Fragen zu Frau Wagenknecht, weil ich ihr die Tarnung nie geglaubt habe. Wie sie (und im Gegensatz zu wohl den meisten »Linken«) habe ich die Werke von Marx, Engels und Lenin studiert und weiß daher, wie unvereinbar diese Ideologie mit demokratischen Werten ist. Außerdem weiß ich um die Kraft frühkindlicher Prägung. Wer mit »von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen« aufgewachsen ist, tut sich mit dem Aufwachen in der Realität naturgemäß schwer. Ich habe auch keine Fragen zu den bei der Berlin-Demo untergemischten Nazis.

Schon 2022, kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, schrieb der Philosoph Schmidt-Salomon: »(…) Verbindendes Element dieser ›Internationale der Nationalisten‹ ist ein brandgefährlicher Mix aus nationalem Chauvinismus und reaktionären religiösen Werten. (…) Bei allen Unterschieden gleichen sich die Programme der jeweiligen politischen Führer in verdächtiger Weise: Sie alle richten sich gegen die kulturellen Begleiterscheinungen der Moderne, gegen Liberalisierung, Pluralisierung, Individualisierung, Säkularisierung, gegen die Rechte von Frauen und Homosexuellen, gegen den weltanschaulich neutralen Staat, gegen die Prinzipien der offenen Gesellschaft. (…) Die sogenannte ›identitäre Linke‹ hat grundlegende Denkmuster von Putin, Trump, Erdogan und Co. übernommen. Wie die religiös-nationalistischen Despoten stellen nun auch ›Linke‹ Gruppenidentitäten ins Zentrum der Argumentation, untergraben die universellen Menschenrechte sowie die Selbstbestimmungsrechte des Individuums. Wie die Vertreter der politischen Rechten wettern auch sie gegen Pluralismus (da sie glauben, im Besitz der ›absoluten Wahrheit‹ zu sein), gegen wissenschaftliche Rationalität (die als Herrschaftsideologie des ›alten, weißen Mannes‹ missverstanden wird) und gegen jede Form der kulturellen Durchmischung (im linken Jargon als ›kulturelle Aneignung‹ gebrandmarkt). (…) ›Linke‹ sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, bevor sie als ›nützliche Idioten‹ von Putin, Trump, Erdogan und Co. in die Geschichte eingehen. (…)« [18]

Ich teile die Aussagen des Zitates ausdrücklich – bis auf den letzten Satz, weil ich nicht an die Lernbereitschaft identitärer Linker glaube. Ich glaube auch nicht an deren »ehrenwerte Motive«, wie sie der Autor an anderer Stelle[19] unterstellt, denn hinter dem »Ziel der ›woken Linken‹, die Stimmen der ›Marginalisierten‹ zu Gehör zu bringen«[20], verbirgt sich zumeist nichts weiter als ein faschistoides Sendungsbewusstsein in Verbindung mit übersteigertem Geltungsbedürfnis, wie man neben der erwähnten Berlin-Demo derzeit (März 2023) auch an diversen Aktionen der sog. »Letzten Generation« beobachten kann.

Um die geht es mir nicht.

Mir geht es um die doch zahlreichen tatsächlich Gutmeinenden, die Pazifisten, die Menschen, die ernsthaft glauben, man könne mit Despoten verhandeln, ohne diese aus einer Position der Stärke heraus zu Kompromissen zu zwingen. Mir geht es um die Naiven, die arglos Parolen nachplappern wie die Mär von »Noch nie wurden Kriege militärisch entschieden« und dabei wohl glauben, Hitler hätte sich nach Verhandlungen aus Einsicht erschossen und nicht, weil die Rote Armee mit ihren Stalinorgeln in den Trümmern Berlins vor seinem Bunker stand. Mir geht es um die Geschichtsvergessenen, die wirklich behaupten, man könne gegen Atommächte keinen Krieg gewinnen und dabei Vietnam und gleich 2 x Afghanistan geflissentlich übersehen.

Mir geht es – in allen drei Beispielen – nicht um die Täter, die Ideologen, die Aufmerksamkeitsbesoffenen, sondern um die Mitläufer. Was treibt die um? Wie können die so vergesslich sein? Wie können die ihre Augen derart gründlich vor den Lehren der Geschichte verschließen? Ich verstehe es nicht und ich hasse es, etwas nicht zu verstehen. Können Sie mir vielleicht helfen?

Uff. Viel Text für ein Vorwort. Bitte entschuldigen Sie.

Jetzt aber zur folgenden Geschichte!

Sie spielt in einer nicht zu fernen Zukunft – sagen wir mal … so etwa 15 bis 20 Jahre später. In den USA haben sich die identitäre Rechte, die MAGA-Spinner, die Evan­gelikalen und Kreationisten durchgesetzt und formen das zunehmend abgeschottete Land (weiter) nach ihren Vorstellungen um.

In Kanada hat die Demokratie überlebt.

Dort wuchs unsere Heldin in Freiheit und unbeschwert auf, bis die Ehe ihrer Eltern zerbrach und ihr geliebter Dad in die USA übersiedelte, weil er dort einen sehr gut bezahlten Job bekam.

Es ist nie leicht, Angehörige in einem Land zu besuchen, das sich der Welt gegenüber abschottet und Lindsey, im zarten Alter von 18 Jahren, möchte zudem auch noch testen, ob sie mal längere Zeit mit ihrem Vater verbringen kann, denn wie es bei ge­rade erwachsenen Töchtern häufig so ist, steht es im Verhältnis zur Mutter nach den Wirren der Pubertät nicht gerade zum Allerbesten.

Wie überlebt man als Frau in einem Land, in dem, wie heute z.B. in Afghanistan, Saudi-Arabien oder dem Iran, die Unterdrückung von Frauen Teil des »Marken­kerns« ist – zumal, wenn man gar nicht mit der dort obligatorischen Gehirnwäsche aufgewachsen ist und noch überhaupt keine Vorstellung davon hat, was sich schwa­che Männer so alles einfallen lassen können, um sicherzustellen, dass sie auch mal »zum Schuss kommen«?

Ich weiß, dass Sie das nun Folgende ansatzweise an die großartige Serie »The Handmaid’s Tale«[21] erinnern könnte. Ich versuche aber, es etwas mehr sexy hinzube­kommen. Ich will außerdem erwähnen, dass ich lange nach Entwicklung der Story­line im Web auf eine wirklich beeindruckende Story mit spannender Dystopie und professioneller Charakterzeichnung gestoßen bin[22], die mich im Nachhinein doch mehr als einmal an meinen eigenen Stoff erinnert hat. Im Gegensatz zu dieser weist meine Geschichte aber trotz Sujets wie Fremdkontrolle und Kontrollverlust nicht so viele ab/dl-Elemente auf, sondern es geht zwar »schulisch«, aber erwachsener zu.

So. Genug verraten. Jetzt geht es – endlich – los!

Quellennachweis:

[1] Deschner, Karlheinz: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 1, S. 124 f., Hamburg 2010

[2] Wie vor, S. 126

[3] https://www.deutschlandfunk.de/reformationsjubilaeum-wie-umgehen-mit-luthers-judenhass-100.html ; letzter Aufruf: 12.03.2023

[4] https://rfb.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/rfb.bildung-rp.de/Evangelische_Religion/Sasse/Materialien/Ausgewaehlte_antisemitische_Passagen_1.pdf ; letzter Aufruf: 12.03.2023

[5] https://www.holocaust.cz/de/geschichte/endloesung/general/die-verfolgung-deutscher-juden-nach-der-machtuebernahme-der-nazis/ ; letzter Aufruf: 12.03.2023

[6] Deschner, Karlheinz: Mit Gott und den Faschisten, S. 77, Freiburg 2013

[7] Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising, Jg. 1936, Nr. 6, Beilage II

[8] https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/216612/hitlers-mein-kampf-ein-unterschaetztes-buch/ ; letzter Aufruf: 12.03.2023

[9] https://weltanschauungsrecht.de/Islam-Frauen , insb. Abs. II; letzter Aufruf: 12.03.2023

[10] vgl. ebenda

[11] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/taliban-frauen-bildung-101.html ; letzter Aufruf: 12.03.2023

[12] https://weltanschauungsrecht.de/Islam-Frauen , insb. Abs. I; letzter Aufruf: 12.03.2023

[13] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/iran-proteste-vergiftungswelle-100.html ; letzter Aufruf: 12.03.2023

[14] https://hpd.de/artikel/champagner-feminismus-21117 ; letzter Aufruf: 13.03.2023

[15] https://hpd.de/artikel/putins-krieg-und-russisch-orthodoxe-kirche-20469 ; letzter Aufruf: 13.03.2023

[16] https://www.dw.com/de/putin-formuliert-ukraine-doktrin-und-droht/a-58280641 ; letzter Aufruf: 13.03.2023

[17] https://www.deutschlandfunk.de/russland-und-die-ukraine-wirbel-um-schaeubles-krim-100.html ; letzter Aufruf: 13.03.2023

[18] Schmidt-Salomon, Michael: Die autoritäre Bedrohung, in: bruno. Das Jahresmagazin der Bruno-Giordano-Stiftung, S. 48 ff., Oberwesel 2022

[19] Wie vor, S. 50

[20] ebenda

[21] https://de.wikipedia.org/wiki/The_Handmaid%E2%80%99s_Tale_%E2%80%93_Der_Report_der_Magd ; letzter Aufruf: 12.03.2023

[22] https://www.deviantart.com/elfking88/art/Sallas-Part-One-929031979  ; weitere Teile 2- 34 auf der Autorenseite https://www.deviantart.com/elfking88/gallery/60769982/stories ; letzter Aufruf: 28.05.2024

Leseprobe

01: Einreisebestimmungen

»Was ist der Grund für Ihre Einreise in die Vereinigten Staaten, Miss Taylor?«, wollte der Mann hinter dem Schalter mit ausdrucksloser Miene wissen.

»Ich besuche meinen Vater. Der arbeitet in Webster bei Rochester in einer KI-Firma.«

Er legte das Dokument, das ich ihm vorgezeigt hatte, auf die Seite und verschränkte seine Arme. »Das hier ist aber kein Tagesvisum, sondern ein vor zwei Monaten ausgestelltes Familien-Visum. Das hat nach dem seit einem Monat geltenden neuen Einreisegesetz keine Gültigkeit mehr. Sie können im Übergangsbereich warten und mit der nächsten Fähre zurück nach Kanada.«

»Was?! Aber … ich habe meinen Dad seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Da muss es doch eine Möglichkeit geben.«

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»Familien-Visa wurden abgeschafft. Wenn Sie weder ein Tages-, noch ein Arbeits-, noch ein befristetes Touristenvisum haben, dürfen Sie nicht einreisen.«

»Aber ich habe fast ein halbes Jahr auf dieses Visum gewartet. Das kann doch nicht sein, dass ich ihn nicht einmal besuchen darf!«

Der Mann blieb stoisch. »Sie können ein Tagesvisum beantragen. Das geht schneller.«

»Ich möchte meinen Dad aber gern für länger als einen Tag sehen.«

»Dann beantragen Sie ein Touristenvisum! Das kann einen Aufenthalt für bis zu zwei Wochen ermöglichen. Jetzt müssen Sie aber gehen. Die Fähre nach Kanada wird bald ablegen und Sie müssen sicher Ihr Gepäck noch abholen und wieder aufgeben. Der Versuch der illegalen Einreise ist eine Straftat.«

»Aber ich habe doch ein Visum!«

Der Mann seufzte hörbar. »Das ist ungültig – das habe ich doch gerade klar und deutlich erklärt.« Er griff zu seinem Funkgerät. »4-90 von 8-30! 241 aus Kanada. Mädchen, alleinreisend, minderjährig, ungültiges Visum.«

»Was?! ›Minderjährig‹? Ich bin 18!«

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»In Kanada vielleicht. Hier werden Mädchen erst mit 21 volljährig.«

Ich hatte mich gut vorbereitet und alle möglichen Broschüren über die »neuen« USA studiert. Ich hatte mir extra eine »sittsame« Frisur machen lassen und ein dezentes, schwarzes Kleid angezogen, wie es in den Broschüren vorgeschlagen wurde. Als Frau konnte man sich nach der Machtübernahme der Evangelikalen nicht mehr mit einer Hose auf die Straße trauen, hieß es. Mein Visum trug den Stempel von Innen- und Außenministerium, wie es vorgeschrieben war und ich konnte somit keine unerwünschte Person sein. Von einer Änderung der Einreisegesetze hatte ich bisher nichts gehört.

All das erklärte ich dem Mann in Uniform, aber der sah mich nur an, als würde ich eine fremde Sprache sprechen.

Dann ging alles blitzschnell: Zwei weitere Uniformierte betraten den Schalterraum, ich musste meine Tasche abstellen und meine Arme wurden nach hinten gezogen. Ich protestierte, während die Handschellen klickten. Die Polizisten schoben mich in einen Nebenraum. Dort ließen sie mich einfach stehen und gingen.

Und nun?

Bild3

Zum Glück musste ich nicht lange warten, denn eine zivil gekleidete Frau betrat den Raum, legte ein Notebook auf den Tisch und meinte: »Die Jungs von der Grenzpolizei sind manchmal etwas übereifrig. Tut mir leid.« Sie nahm mir die Handschellen ab und fuhr fort: »Du musst das verstehen! Seitdem wir nur noch Menschen ins Land lassen, die unsere Werte teilen, ist es schon richtig, sehr vorsichtig zu sein. Nun gut. Du hast versucht, mit einem ungültigen Visum einzureisen. Das ist eine Straftat. Zum Glück bist Du minderjährig, aber Du kannst in diesem Land nicht unbegleitet reisen.«

»Ich bin 18 und damit nach den Gesetzen Kanadas volljährig. Mein Visum ist vollkommen korrekt und davon, dass es nicht mehr gültig sein soll, habe ich vorhin zum ersten Mal gehört.«

»Vor einem Monat wurden die Gesetze geändert. Es mag sein, dass davon wenig öffentlich bekannt wurde, aber das ändert nichts daran, dass wir uns an diese Gesetze halten müssen. Glaube, Sauberkeit und Recht sind die Grundpfeiler des neuen Amerikas. In dieser Reihenfolge. Nur so können wir zivilisiert leben.«

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Mom hatte mich gewarnt. Ob Politik, Religion oder irgendein idiotischer Personenkult – aus jedem Staat, der dem Recht, der Gewaltenteilung und der demokratischen Entscheidungsfindung irgendetwas Anderes voranstellt, wird sofort und automatisch ein Unrechtsstaat, ein Terrorregime. Solchen Ländern sollte man strikt fernbleiben … aber ich wollte Dad unbedingt wiedersehen.

Vielleicht war mit dieser Frau ja zu reden? »Ich wollte gegen kein Gesetz verstoßen.«

»Sicher. Aber wenn man in ein fremdes Land reist, sollte man sich vorher mit dessen Gesetzen und Gepflogenheiten vertraut machen.» Die Frau seufzte. »Nun wollen wir mal sehen, wie wir diese unschöne Sache irgendwie lösen, oder?«

»Was kann ich tun? Kann ich bei Ihnen ein anderes Visum beantragen?«

»Hm … ja, das könnte eine Möglichkeit sein, aber ein Tagesvisum wird nur von unseren Botschaften im Ausland ausgestellt.«

»Der Mann am Schalter sprach von einem ›Touristenvisum‹.«

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»Wie lange willst Du denn bleiben?«

»Drei Monate.«

»Als Touristin? Ausgeschlossen! Da sind maximal zwei Wochen möglich. Was willst Du denn drei Monate lang hier tun?«

»Meine Eltern leben getrennt und ich wollte die Zeit mit meinem Vater verbringen. Deshalb hatte ich ja dieses Familienvisum beantragt – weil ich bei meinem Vater sein wollte … wenigstens mal eine längere Zeit.«

»Verstehe. Solche Möglichkeiten gibt es mit der Gesetzesänderung nicht mehr. Das ist natürlich eine schwierige Situation. Dein Einreiseversuch wurde bereits registriert und wenn wir das nicht als Straftat bewerten wollen, müssen wir den Vorgang irgendwie legalisieren. Hm … Du könntest eine vorläufige Einbürgerung beantragen. Damit dürftest Du Dich für drei Jahre bei uns aufhalten, bis entweder die tatsächliche Einbürgerung gestattet wird oder Du wieder in Dein Herkunftsland zurückkehren müsstest. Da wäre es aber obligatorisch, dass Du die Schulbank drückst, um Dich mit den Gepflogenheiten unserer Gesellschaft vertraut zu machen.«

»So eine Art ›Staatsbürgerkunde-Unterricht‹?«

»Genau. Aber auch Verhaltens- und Benimmregeln … alles, was dazu gehört, um dann wie eine echte Amerikanerin leben zu können – für den Fall, dass es zur endgültigen Einbürgerung kommt.«

»Auch, wenn ich das gar nicht vorhabe?«

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»Es ist die einzige Möglichkeit für Dich, länger als zwei Wochen hier zu bleiben – und wir hätten dann das Thema ›illegale Einreise‹ vom Tisch.«

»Was wären die Konsequenzen einer ›illegalen Einreise‹?«

»Sofortige Abschiebehaft mit einer Dauer von bis zu sechs Monaten. Dann Abschiebung und Verbot, unser Land jemals wieder zu betreten. Auf Lebenszeit.«

Sechs Monate Knast? Niemals meinen Dad in diesem Land besuchen dürfen? Furchtbar! Auf der anderen Seite ein Aufenthaltsrecht bis zu drei Jahren und ein paar Kurse. Naja. Ich konnte mich leicht entscheiden. »Dann würde ich gern dieses vorläufige Dingsda beantragen.«

»Schön. Dann haben wir diese dumme Sache mit der illegalen Einreise vom Tisch. Wir können die Beantragung hier mit dem Laptop vorbereiten. Unterschreiben muss das dann Dein Vater oder Deine Mutter, weil Du ja nach unseren Gesetzen erst mit 21 volljährig wirst, aber ich kann Deinen Status als vorläufige Staatsbürgerin schon freigeben, wenn wir den Antrag fertiggestellt haben. Wer soll das unterschreiben?«

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»Mein Dad wohnt ja hier und freut sich auf meinen Besuch. Das geht wohl am schnellsten.« Und meine Mom würde einen Teufel tun, mich auch nur als »vorläufige« Bewohnerin des neuen Amerikas der religiösen Fanatiker, Spinner und Frauenfeinde (alles Synonyme für den gleichen Bullshit) registrieren zu lassen, dachte ich.

»Ja, das denke ich auch. Seine Anschrift gibst Du mir bitte nach dem Ausfüllen!« Sie klappte das Notebook auf und setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum.

Im Stehen beantwortete ich ihre Fragen, die über das hinausgingen, was ich an persönlichen Daten für meinen letzten Visums-Antrag bereits angeben hatte. Als ich meiner Verwunderung beispielsweise darüber Ausdruck gab, dass sie alle meine Konfektionsgrößen wissen wollte, meinte sie nur lapidar: »So sind die Bestimmungen. Konfession?«

»Äh … keine.«

»Hm. Dafür gibt es hier kein Eingabefeld. Konfession der Eltern?«

»Auch keine. Meine Großmutter väterlicherseits war wohl katholisch, weil deren Familie ursprünglich aus Irland stammt.«

»Gut, dann kreuze ich ›katholisch‹ an. Jungfrau?«

Jetzt wurde es mir doch zu bunt. »Nein, Zwillinge.«

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Vollkommen frei von jeglichem Verständnis für Ironie meinte die Frau ganz ernst: »Die Frage bezieht sich nicht auf Horoskope, sondern auf den sexuellen Status.«

»Ach. Na dann … nein. Soll ich von meinem ersten Mal berichten?«

Humorlos schüttelte die Frau ihren Kopf.

Es war mir schon klar: Geht es um religiösen Wahn, verstehen dessen jeweilige Anhänger überhaupt keinen Spaß. Je größer der Unfug, je absurder die »Argumente«, je dünner also das Eis, desto größer die Empfindlichkeit der Esel. Aus diesem Grunde gab und gibt es in allen rückständigen Gesellschaften besondere »Schutzvorschriften« für die Verbreiter von Bullshit, die weit über den allgemeinen Schutz der Meinungsfreiheit hinausgehen. Richtig übel hingegen wird es, wenn es sich beim Bullshit um die einzige noch geschützte Meinung handelt.

»Wir sind fertig«, meinte die Frau schließlich und ich gab ihr noch Dads Adresse. »Schön. Ich schicke das ab und dann können wir hier direkt auf die Antwort warten … und da ist sie auch schon. Oh, Du hast wirklich Glück! St. Agnes hat schon einige wunderbare Frauen für unsere Eliten hervorgebracht.«

»Mo … Moment! Was heißt ›Frauen für Eliten‹? Und was ist ›St. Agnes‹?«

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»Mädchen, die in St. Agnes ausgebildet wurden und Staatsbürgerinnen werden, sind bei unseren religiösen und weltlichen Führen sehr angesehen, weil die Ausbildung so gut ist. St. Agnes ist eine katholische Schule für Mädchen aus dem Ausland, die wahre amerikanische Frauen werden wollen. Ich sagte ja bereits, dass es ohne Schulbank nicht geht. Du warst einverstanden. Das können wir jetzt nicht mehr rückgängig machen.«

»Aber … aber … ich dachte, mit ›Schulbank‹ wären nur ein paar Kurse gemeint. Also … so … wie … was weiß ich?! Ich gehe einmal in der Woche für zwei Stunden oder so zu irgendeiner Behörde, wo Kurse in Staatsbürgerkunde oder so abgehalten werden und …«

»Unsinn! So funktioniert das nicht. Einbürgerung ist keine Fahrschule oder … naja, Mädchenfahrschulen wurden ja schon vor Jahren abgeschafft … ein Töpferkurs. Das muss man schon ernst nehmen. Du willst ja recht lange in unserem Land leben. Sieh nur, in welche Schwierigkeiten Du Dich schon allein bei der Einreise gebracht hast! Willst Du in einem unserer Lager enden?«

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Darüber kursierten in meiner Heimat allerdings die übelsten Geschichten, die von brutaler »Umerziehung« bis hin zu regelrechten Gulags oder gar KZs reichten. »N… nein, natürlich nicht. Wie läuft das denn ab? Wie eine normale Schule, also am Vormittag? Etwa jeden Tag? Wie lange würde das dauern?«

»Ich kenne jetzt nicht die genauen Lehrpläne, aber in degenerierten Ländern würde man das wohl am ehesten ›Internat‹ nennen.«

»Was?! Das geht nicht! Ich will bei meinem Dad wohnen. Wo ist meine Tasche? Ich muss ihn anrufen. Er darf das nicht unterschreiben.«

Die Frau seufzte. »Ein Mädchen, das seinem Vater vorschreiben will, was er tun oder lassen soll! Siehst Du … deshalb ist mehr Erziehung nötig, als man mit …«, sie schnaubte verächtlich, »… ›Abendkursen‹ erreichen kann. Nach der Ausbildung kannst Du ihn besuchen, wann immer er will und auch schon nach einer Weile wird er Dich in St. Agnes besuchen können. Das ist doch wohl besser als ein eintägiges Touristenvisum oder, was wahrscheinlicher wäre, monatelange Haft und Abschiebung für immer.«

Ich fühlte mich, als hätte ich mir gerade ein Zeitschriftenabo aufschwatzen lassen und als hielte ich gerade die – horrende – Rechnung in meinen Händen. »Was ist ›eine Weile‹ und wie lange dauert diese … ›Ausbildung‹ insgesamt?«

»Die Dauer der ›Weile‹ hängt von Deinen Fortschritten ab. Die Einbürgerungs-Ausbildung dauert insgesamt drei Jahre.«

Ich spürte, wie das Blut aus meinem Kopf in den Magen sackte. »Drei Jahre?! Das … das geht auf keinen Fall. Wo ist mein Smartphone? Ich will mit meinem Vater sprechen. Sofort!«

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»Du ›willst‹? ›Sofort‹? Das kommt dabei heraus, wenn man junge Mädchen nicht mehr angemessen erzieht. Kleine Lady, Du musst wirklich viel lernen. Solche Flausen werden Dir schon bald ausgetrieben; da bin ich sicher.« Die Frau stand auf, ging zur Tür und rief: »Wachen!«.

Fuck! Ich war in eine Falle getappt! Zwei Uniformierte stürzten in den Raum, packten mich und drehten meine Arme auf den Rücken. Diesmal bekam ich keine Handschellen, sondern eine weitaus rigidere Fessel. Danach war es nicht mehr schwierig, mir einen Knebel anzulegen, so dass sich mein ganzer Protest auf ein gedämpftes »Hm! Hm!« beschränkte. Schließlich zog man mir auch noch etwas über den Kopf und ich konnte nichts mehr sehen. Ich erstarrte regelrecht.

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Ich versuchte, ein Stolpern zu vermeiden, während ich aus dem Raum geführt wurde. Kurz hörte ich die Frau noch »St. Agnes Girl’s School« und »verschärfter Transport« sagen. Dann wurde ich wer weiß wohin gebracht.

Ich war eine Gefangene, allein, gefesselt und geknebelt, in einem Land, in dem Menschen jeden Tag willkürlich verhaftet wurden und spurlos verschwinden konnten.

Ich hätte auf der anderen Seite der großen Seen, in Freiheit, bleiben sollen. Ich hatte den größten Fehler meines Lebens gemacht, aber wie groß der wirklich sein würde, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Zusätzliche Information

Autor

Chris Dell

Version

illustriert

Format

AZW3, EPUB, MOBI, PDF

Sprache

Deutsch

Artikelnummer

SD01GAF

ISBN

978-3-95717-577-9

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