Stigmata Stigmata  
 
Black lives matter.

Keine Frage, dass sie das tun! Das sollte eigentlich für jeden Menschen mit halbwegs intakter Psyche eine Selbstverständlichkeit sein.

»Ach«, werden Sie womöglich sagen, »jetzt hängt Chris sich an die Debatte um die Ermordung von George Floyd«.

Das können Sie tun. Sie können auch fragen, warum ich das nicht schon 1990 getan habe, als Amadeu Antonio in Eberswalde von 50 Nazis zu Tode geprügelt wurde oder 1991, als Samuel Kofi Yeboah bei einem Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis verbrannte oder 1992, als die zehnjährige Yeliz Arslan mit ihrer Familie bei einem Brandanschlag auf ein mehrheitlich von Türkischstämmigen bewohntes Haus in Mölln ums Leben kam oder 1993, als die vierjährige Saime Genç mit ihrer Familie bei einem Anschlag auf ihr Haus in Solingen starb oder 1996, als die siebenjährige Nsuzana Bunga zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen nach einem Anschlag auf ihre Unterkunft in Lübeck verbrannte oder 1998, als die 14-jährige Jana Georgi von einem Neonazi auf offener Straße in Saalfeld erstochen wurde oder 1999, als Carlos Fernando in Kolbermoor von einem Mann totgeprügelt wurde, der sich darüber aufregte, dass »Afrikaner« das Auto seiner Freundin zugeparkt hätten oder 2000, als Enver Şimşek in Nürnberg von den Nazi-Terroristen Böhnhardt und Mundlos erschossen wurde oder 2001, als Abdurrahim Özüdoğru in Nürnberg und Süleyman Taşköprü in Hamburg zu weiteren Opfern des sog. NSU wurden oder 2002, als Ahmet Sarlak in Sulzbach von einem Rechtsextremisten erstochen wurde oder 2010, als Kamal Kilade in Leipzig von zwei einschlägig vorbestraften Nazis niedergestochen wurde oder 2012, als Burak Bektaş in Berlin bei Schüssen eines nicht gefassten, weißen Mannes auf eine Gruppe von migrantischen Jugendlichen ums Leben kam oder 2016, als die 14-jährige Sabine Sulaj neben acht weiteren Opfern in München während eines Amoklaufs des Rassisten David S. erschossen wurde … oder …

Das ist eine willkürliche Beispiel-Liste. Die Opfer (und Täter) sind bedeutend zahlreicher.

In Deutschland mag man sich, wie beim NSU oder den Schüssen von Berlin, mitunter sehr wundern, wie Ermittlungen verlaufen. In den USA jedoch steckt der Rassismus (noch) tiefer in den Institutionen. Natürlich hat das dort ebenso historische Gründe wie andernorts der Umstand, dass Toleranz von Menschen, deren Leben (und das ihrer Eltern) in aufeinanderfolgenden Diktaturen stattfand, erst mühsam (und nicht selten erfolglos) erlernt werden muss.

»Die Leben Schwarzer sind im Durchschnitt kürzer, sie sind ärmer und weniger gesund als weiße Amerikaner«1..

Das ist der niederschmetternde Status Quo.

»Seit 2015 haben Polizisten in den USA nach einer Auswertung der ›Washington Post‹ rund 5400 Menschen erschossen, die zumeist bewaffnet waren. Davon waren 45 Prozent weißer Hautfarbe, obwohl Weiße rund 60 Prozent der US-Bevölkerung stellen. Schwarze, die nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen, repräsentierten 23 Prozent der von der Polizei Getöteten. […] Studien der Regierung zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Gewaltanwendung durch Polizisten gegenüber Schwarzen insgesamt deutlich höher ist. Schwarze werden vielen Studien zufolge auch häufiger von der Polizei kontrolliert als Weiße. Wenn es später zu einer Verurteilung kommt, erhalten Schwarze für das gleiche Verbrechen fast 20 Prozent längere Haftstrafen als Weiße, wie ein Bericht der Regierung für den Zeitraum 2011 bis 2016 feststellte. Afroamerikaner machen der Bürgerrechtsorganisation NAACP zufolge rund 34 Prozent aller rund 2,2 Millionen Gefängnisinsassen aus. Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil werden demnach fünf Mal mehr Afroamerikaner als Weiße inhaftiert. […] Die Arbeitslosenquote für Afroamerikaner ist in den USA in aller Regel deutlich höher als jene für weiße Amerikaner. Im Mai lag die Quote für Schwarze bei 16,8 Prozent, die für Weiße bei 12,4 Prozent. Zudem zeigen Studien, dass Schwarzen für vergleichbare Arbeit im Schnitt nur drei Viertel dessen bezahlt wird, was Weiße verdienen. Jeder fünfte Schwarze in den USA lebt unter der Armutsgrenze von rund 26 000 US-Dollar für eine vierköpfige Familie, wie das Institut für Wirtschaftspolitik (EPI) erklärt. […] Im Alter von 25 Jahren haben 15 Prozent der Schwarzen und nur 8 Prozent der Weißen keinen Gymnasial-Abschluss. Insgesamt haben in dem Alter 35 Prozent der Weißen einen Universitätsabschluss, aber nur 21 Prozent der Schwarzen, wie Daten des Bildungsministeriums zeigen. Afroamerikaner sind zudem in Führungspositionen großer Unternehmen deutlich unterrepräsentiert. Unter den Fortune-500-Firmen etwa finden sich nur vier schwarze Vorstandsvorsitzende. Ähnlich ist es in der Politik: In Präsident Donald Trumps Kabinett etwa gab es nur einen Afroamerikaner, Wohnungsbauminister Ben Carson. Beim Militär sind rund 40 Prozent der Soldaten Afroamerikaner, aber nur zwei von 41 Top-Generälen sind schwarz, wie die ›New York Times‹ berichtet. Die Gesundheitsversorgung für Afroamerikaner ist Experten zufolge im Schnitt schlechter als jene für Weiße. […] Eine renommierte Studie aus dem Jahr 2016 zeigte, dass Schwarze, die über Schmerzen klagen, weniger Hilfe bekommen. Der Grund sei, dass viele weiße Laien, Medizinstudenten und junge Ärzte ›fälschlicherweise an biologische Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen glaubten‹. Diese Wahrnehmung führe dann zu unzureichender Behandlung, hieß es«2..

Holla!

Wegen Farbunterschieden der Haut?! Und da dachte ich, die Diskriminierung von Rothaarigen sei eine Sache des Mittelalters gewesen! Was ist mit Sommersprossigen?

Ich bin nicht schwarz.

Soll ich deshalb über Rassismus schweigen?

Nein, mit dem Niemöller-Zitat will ich Ihnen gar nicht kommen, aber was ist mit Juden? Menschen werden verfolgt und millionenfach ermordet, weil sie ein Geistwesen anbeten, das noch ein gutes Stück weit psychopathischer ist als der »Gott« der Christen? Hallo? Geht’s noch?

Und was ist mit den Frauen? Die werden immer noch bei gleichen Jobs schlechter bezahlt als Männer. Weil sie keinen Schniedelwutz haben! Soll das ein Qualitätskriterium sein? »Sie haben alle Kennzahlen erreicht. Eigentlich würden Ihnen ein paar Boni zustehen, aber leider haben Sie keinen Penis. Das verstehen Sie doch, nicht wahr?!« Keine Angst! Über das Frauenbild der Bibel oder gar des Koran habe ich an anderer Stelle schon genug berichtet. Das bleibt Ihnen diesmal erspart (aber ein kleines bisschen übergeben darf ich mich auch heute schon, oder? Danke!).

Und Menschen mit Behinderungen? Ich behaupte, dass es kein gedanklich weiter Weg ist vom »unwerten Leben« bis zur »negativen Lebenssituation«, wie sie bevorzugt von konfessionsgebundenen Sozialarbeiter_*I‘;-nnen ins Feld geführt wird. Falls Sie eine sein sollten, lesen Sie einfach weiter, wenn Ihre Schnappatmung wieder vorbei ist!

Warum behaupte ich das?

Weil es keine »objektiven Gründe« für Diskriminierungen gibt. Weil Rassismus in allen seinen Formen und Ausprägungen nichts weiter ist als die Selbstentäußerung der Doofen, der (vor allem gefühlt) Zukurzgekommenen.

Rassismus ist ein Bild.

Dieses Bild machen sich diejenigen, die ein Problem mit dem Blick in den Spiegel haben.

Gescheiterte Kunstmaler, arbeitslose Hohlköpfe, die höchstens noch von Beate Zsch. »rangelassen« werden, Millionärssöhne mit dem IQ von Dreijährigen als POTUS … allesamt Leute, die man im Lichte der Realität höchstens kopfschüttelnd belächeln kann – es sei denn, der eigene IQ ist beim Alter von Zwei stehengeblieben. Dann nämlich schaut man zu so etwas auf … und weil es ein Scheiß-Gefühl ist, wenn andere auf das eigene Dasein herabblicken, braucht man in einer solchen Lage vor allem etwas, auf das man selbst herabblicken kann und die Spinner, zu denen man irrtümlich aufschaut, liefern dann die Zielgruppe(n) für den eigenen, kleinen, billigen Rassismus, denn diese Spinner haben selbst ein Problem beim Blick in den Spiegel (sogar dann, wenn sie keine Zahnbürste unter der Nase und kein totes, geföhntes Eichhörnchen auf dem Kopf haben).

Es geht also nicht vordringlich um Hautfarben.

Was aber »hilft«? Wie kann man Rassismus in allen seinen Formen bekämpfen?

Minderwertigkeitskomplexe sind ein Gefühl. Dieses Gefühl entsteht aus einer Fremdwahrnehmung, die irgendwann zur Selbstwahrnehmung wird. Hier sind vor allem Psychologen und Sozialpädagogen gefordert. Allen anderen Menschen sei empfohlen, sich einmal näher mit dem Phänomen »Hass« zu beschäftigen. Sie werden dann schnell sehen, dass Hass einen Zwilling hat, der »Angst« heißt. Hier finden wir dann auch die Antwort auf die Frage, warum z.B. Ausländerhass bevorzugt in Gegenden auftritt, in denen es kaum Ausländer gibt, denn Angst ist zumeist die Angst vor dem Unbekannten. Ist dieses Unbekannte irgendwie »fremd«, »anders« als man selbst, versteht man es nicht, kann man es nicht erfassen, so entsteht daraus für die oben erwähnten Intelligenzzweijährigen sehr schnell das Sujet für Rassismus. Packt man dann noch ein paar Einflüsterungen der gescheiterten Kunstmaler und Konsorten hinzu, dauert es nicht mehr lange, bis die ersten Kreuze, Synagogen oder Flüchtlingsheime brennen.

Nicht alle, aber einige Ängste lassen sich mit der Konfrontationstherapie behandeln. Die Angst vor dem Fremden, Unbekannten hingegen lässt sich immer »behandeln«, indem man das Fremde kennenlernt.

Zumindest kann man auf diese Weise aus Vorurteilen Urteile machen und über Urteile kann man, anders als über Vorurteile, wenigstens streiten.

Dunkle Haut und keinen Penis haben, womöglich noch irgendein Handicap oder andere »Unzulänglichkeiten« … macht einen das zu einem »schlechteren« Menschen?

Wie kann man »lernen«, wie es ist, mit dunkler Haut, keinem Penis oder irgendwelchen Einschränkungen in einer Welt voller Intelligenzzweijährigen zu leben?

Hoffentlich nicht nur auf die »harte Tour«, hoffentlich nicht nur so (und trotz allem … oder gerade deshalb … war es auch mal wieder Zeit für eine Liebesgeschichte):

weniger Text
 
Stigmata