Anstalt der Qualen Anstalt der Qualen  
 

Mein Speicher ist voll

Manchmal fühle ich mich wie ein Wasserhahn, den man nicht abdrehen kann. Die Inhalte sprudeln heraus und wollen in einer Tastatur aufgefangen werden. Normalerweise ist das kein Problem, denn ich schreibe ja stets an mehreren Geschichten gleichzeitig und so ist immer wieder irgendwo ein Plätzchen für das seltsame Zeug frei, das ungehindert aus dem Hahn fließt.

Schwierig wird es, wenn ich mit dem Schreiben nicht nachkomme. Naja, das ist eigentlich immer so. Ein derartiger »Ideenstau« sorgte zuletzt für die Entstehung von »Santo Flamingo Dolls«. Damit kann ich leben. Meine Leserinnen und Leser mosern zwar hin und wieder (berechtigt!) darüber, dass ich schon wieder ein neues Buch beginne, während ein paar alte immer noch nicht fertig sind, aber damit müssen wir alle nun einmal leben. Das ist … äh … »alternativlos« - viel »alternativloser« jedenfalls, als Pleitestaaten mit Euros zu fluten, die dann in irgendwelchen dubiosen Kanälen versickern und immer mehr gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen, weil man seinen Wählern nicht wahrheitsgemäß gestehen mag, dass deren hart erarbeitetes Steuergeld von Anfang an sinnlos verpulvert wurde, viel »alternativloser« als die flächendeckende Überwachung unbescholtener, unverdächtiger Bürger mit dem Scheinargument der Terrorismusbekämpfung und der gänzlich perversen Geschichte von einem Minister, der genau das Bespitzeln zum Gesetz macht, das er noch wenige Monate vorher scharf verurteilt und abgelehnt hatte.

So geschehen in irgendeiner Bananenrepublik (es muss wohl im östlichen Hinterkongo gewesen sein) im Frühjahr/Sommer 2015.

Tja, und jetzt gibt es schon wieder eine neue Geschichte. Aus dem Stau war nämlich eine Totalsperrung geworden und nein – der Mautheld trägt hieran ausnahmsweise mal keine Schuld. Ein böses Zipperlein hatte mich ereilt und das, was stets so fleißig aus dem Wasserhahn sprudelt, konnte nicht länger aufgefangen werden.

Und dann noch dieser Ohrwurm!

Nicht imstande, eine Tastatur zu bedienen, ließ ich mich mal ein wenig berieseln und schaute mir die 2. Staffel von »American Horror Story« an: »Asylum«. Dort wurden Insassen einer Psychiatrie mit dem Lied »Dominique« gequält, ein »Hit« aus den 60er Jahren und mir sogar noch aus irgendwelchen TV-Sendungen als frühe Kindheitserinnerung bekannt. Im großartigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit dem »Bildungsauftrag« und Kirchenvertretern als Vorsitzende oder Stellvertreter in den meisten Rundfunkanstalten wurde das Zeug jahrelang rauf und runter gedudelt, denn es stammte von einer singenden Nonne. Es gab kein Entrinnen (jedenfalls, wenn man den Fernseher anmachte, denn außer dem öff.-rechtl. Zwangs-TV hatten wir ja nüscht – so kurz nachm Kriech, pffft).

Ich erinnerte mich sogar an das selige Grinsen dieser Schwester des Dominikanerordens auf der Mattscheibe … aber vielleicht waren das auch andere Grinsekuchen, die das Liedchen lediglich ein paar Jahre später nachträllerten.

Irgendwann war dann Schluss mit dem Gedudel und ich erfuhr erst kürzlich (Webseidank!), dass die singende Schwester lesbisch war (veranlagungsbedingt), tablettensüchtig (beruf[ung]sbedingt?) und sich schließlich das Leben genommen hatte. Es gibt wirklich furchtbare »Schicksale«.

Die Macher der Staffel »Asylum« hatten sich vermutlich gedacht, dass es kaum ein besseres Lied gibt, mit dem man Menschen so schön quälen und ihnen dabei gleichzeitig die Bigotterie tief in den Allerwertesten schieben kann. Eine tolle Idee!

Ohrwurm und Inspiration konnte ich weder verdrängen noch irgendwo unauffällig auf oder zwischen die Zeilen eines meiner schon in Arbeit befindlichen Bücher schreiben, denn die Tipperei war (noch) zu schmerzhaft und die Sprachsteuerung habe ich immer noch nicht eingeführt. Also musste das Zeug warten, bis das Tippen wieder funktionierte und weil die Inspiration ganz sicher nicht zu einem bloßen Remake führen sollte, gab es keine Alternative, als den Krempel in einer neuen Story unterbringen. Alternativlos eben – sagte ich das nicht bereits? Bei der Gelegenheit konnte ich gleich mit größeren Auflösungen bei den Illustrationen experimentieren und die ganze Sache mal in ein anderes Format packen. Ach ja – allen (vereinzelten) Unkenrufen zum Trotz gibt es auch diese neue Story kostenlos. Ich halte meine Versprechen.

So bastelte ich mir also drei junge Frauen, um sie zu quälen (bzw. quälen zu lassen). Die Ärmsten! Immerhin singe ich ihnen nicht »Dominique« vor. Dafür lasse ich die wirklichen Irren in einer Anstalt auf die Mädels los und in bewährter Chris-Dell-Manier ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Das (noch) größere Unheil bleibt zunächst im Verborgenen, bis es sich nicht nur manifestiert, sondern im Kampf zwischen Ausweglosigkeit und Individualität mal wieder »das Böse« ans Licht bringt, das in allen Menschen ebenso steckt wie Milde, Güte und Verantwortungsgefühl. Es bleibt alles eine Frage der persönlichen Entscheidung und der Grundlagen dafür, die wir uns im Laufe unseres Lebens aneignen können – oder nicht.

Niemand wird gezwungen, mit entrückter Miene dümmliche Liedchen zu trällern …

… oder?

Chris Dell

weniger Text
 
Anstalt der QualenPDF-Download, illustriert
deutsch
einzelne Kapitel
kostenlos

Auswählen