Offener Vollzug Offener Vollzug  
 

Haftantritt

»Ausziehen! Alles! Kleidung, Unterwäsche, Schuhe in die untere, Schmuck, Schlüssel, anderer Kram in die obere Schublade!«

Hier schien es keinen Unterschied zwischen einer Gefängniswärterin und einer Nonne zu geben. Ich sah zwar nirgendwo ein Paket mit Anstaltskleidung, aber Widerstand erschien mir zwecklos, also tat ich, was die Wärternonne mir befohlen hatte und legte alles in die beiden Schubladen eines Blechschranks. Brav schob ich diese danach zu.

Als ich nackt vor der Nonne stand, schien sie das nicht weiter zu interessieren. Abgestumpfte Professionalität oder gezielte Erniedrigung? Sie sah nicht auf, sondern blätterte in einer Akte. Das war dann wohl meine, dachte ich.

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»Du hast einen Menschen getötet. Mit dem Auto.«

»Der Mann hatte versucht, mich zu vergewaltigen. Ich habe ihn überfahren, aber ich wollte ihn nicht umbringen.«

»Hier steht, dass der Mann nicht vorbestraft war. Du hättest wahrscheinlich überlebt. Es gab keinen Grund, ihn zu töten. Deshalb bist Du hier.«

Überlebt hätte ich … vielleicht. Körperlich. Vermutlich war diese Nonne wie der Richter in meiner Verhandlung der Ansicht, dass es nicht »angemessen« war, einen Vergewaltiger umzubringen. Naja, dachte ich, angesichts der sogar vom Papst eingestandenen Missbrauchsfälle in Klöstern hätte diese Nonne ihrem Täter wohl ein »Hosianna, Hochwürden!« zugerufen, statt ihn mit dem Auto zu überfahren, in das sie sich vorher geflüchtet hatte. Vermutlich hätte sie gar nicht an Flucht gedacht. »Hätte ich ihn gewähren lassen sollen?«

»Der Herr prüft uns manchmal sehr streng. Das gibt uns nicht das Recht, ein Leben zu beenden, das er geschaffen hat.«

»Und am neunten Tag erschuf der Herr die Vergewaltiger«, dachte ich, aber schwieg lieber.

»Du denkst wohl, Du bist mit einem halben Jahr bei uns gut davongekommen? Du meinst, Du hast Glück gehabt?«

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Nachdem im Prozess absehbar geworden war, dass es wohl nicht zu einem Freispruch kommen würde, weil der Richter mehrfach betont hatte, dass er die Notwehr für »unverhältnismäßig« hielt, hatte mein Anwalt den nach seinen Worten »bestmöglichen« Deal verhandelt: Sechs Monate in einer »Erziehungsanstalt« und dann »offener Vollzug«, was für mich wohl bedeuten sollte, dass ich danach wieder in meiner Wohnung mit Colin leben und mein Studium fortsetzen könnte – allerdings unter Auflagen und staatlicher Kontrolle. Ich hielt das für eine gute Alternative zu den angedrohten zweieinhalb Jahren Knast für Totschlag im Affekt. »Ich akzeptiere die Strafe, die das Gericht für mich vorgesehen hat«, antwortete ich ausweichend. Ich traute dieser Nonne nicht über den Weg.

»Das werden wir sehen. Normalerweise bleiben die Mädchen viel, viel länger bei uns. Das neue Programm, für das unsere Heilige Mutter Kirche uns diesen ganz neuen Gebäudetrakt und ganz neue Möglichkeiten geschenkt hat, ermöglichst es uns aber, aus einer Sünderin und Verführerin wie Dir schon in sehr kurzer Zeit ein braves, sittsames Geschöpf Gottes zu machen.«

Jetzt wurde es mir doch zu bunt. »Vergewaltiger werden nicht ›verführt‹. Das sind Gestörte voller Komplexe, denen bloße Weiblichkeit genügt, um durchzudrehen. ›Sittsamkeit‹ und ›Keuschheit‹ oder Burkas, Schleier und Habits und all der Blödsinn sind doch nur Erfindungen solcher gestörten Männer, weil die Angst vor der Konkurrenz haben. Nichts davon ›schützt‹, weil es den Schweinen ganz egal ist. Die vergewaltigen bei Bedarf auch Kinder, Achtzigjährige und Nonnen. Die sind nicht wählerisch.«

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»Schon Eva hat Adam verführt. Wir haben hier wirksame Methoden gegen die Sünde. Das kannst Du mir glauben. Dreh Dich um!«

Plötzlich hatte die Nonne irgendwelche Gurte in der Hand und legte mir etwas um den Hals, um dann blitzschnell meine Arme in Schlaufen hinter meinem Rücken zu befestigen. »Das ist doch nicht nötig!«, rief ich.

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»Doch, das ist es. Die Eigensinnigkeiten wirst Du Dir hier zum Glück schnell abgewöhnen. Das ist der Vorteil unserer neuen Möglichkeiten. Ich habe vorher auch im Altbau gearbeitet. Dort dauert es Jahre, um die Ergebnisse zu erzielen, die wir hier in kürzester Zeit schaffen, aber dort kümmern sich die Schwestern ja auch nur um ganz normale Sünderinnen und nicht um derart schwere Fälle [Anm. s. »Anstalt der Qualen«; hier im Shop kostenlos verfügbar].«

»Ich bin kein ›schwerer Fall‹!«

»Oh, doch, vor Gottes Augen bist Du das, denn einen Menschen zu töten, ist eine sehr schwere Sünde. Das ist fast so schlimm wie Häresie, aber davon verstehst Du nichts und musst es auch nicht. Es genügt, dass Du hier bei uns bist. Wir kümmern uns um Dich und nach spätestens sechs Monaten bist Du ein ganz neues, sanftes und friedvolles Geschöpf des Herrn, wie es geschrieben steht. Wir müssen nur Deinen anfänglichen Widerstand überwinden und das werden wir. Dann müssen wir Dich schon bald auch nicht mehr fixieren.«

An einer Seite des Raumes öffnete sich eine Stahltür und zwei … Astronauten kamen hindurch. Das war zumindest meine erste Assoziation, denn es handelte sich wohl um irgendwelche Schutzanzüge und hinter den Scheiben der Helme erkannte ich männliche Gesichter … und ich war splitternackt und meine Hände waren auf den Rücken gefesselt. Weil ich mich gegen einen Vergewaltiger gewehrt hatte, war ich hier und was sollte das jetzt werden? Von einer Nonne konnte ich keine Hilfe erwarten, denn die Pfaffen waren ja stets die Ersten, wenn es darum ging, eine Frau für die Verbrechen von Männern verantwortlich zu machen und als »Verführerin«, »Sünderin« oder gar »Hure« zu bezeichnen, wenn sie nicht alles dafür tat, ihre Weiblichkeit in der Öffentlichkeit zu verbergen (was ohnehin aussichtslos war).

Die Männer packten links und rechts meine gefesselten Oberarme und führten mich recht unsanft in einen Gang, der mich an eine Waschstraße für Autos erinnerte. Ich war aber kein Auto!

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Die Männer traten jeweils einen Schritt zur Seite und hinderten mich so daran, mich vor oder zurück zu bewegen. Dann wurde ich plötzlich von allen Seiten und von oben mit warmem Wasser eingesprüht. Ich vermutete nicht wirklich, dass die beiden Kerle Schutzanzüge trugen, weil sie wasserscheu waren und als das Brennen begann, wusste ich, dass es sich nicht nur um klares Wasser handeln konnte, das in jeden Winkel meines nackten Körpers gesprüht wurde. Ich konnte nicht weglaufen, konnte mich nicht schützen und als ich an mir heruntersah, stellte ich voller Entsetzen fest, dass inzwischen meine Haare von der Flüssigkeit weggespült wurden. Ich meinte sogar, regelrecht spüren zu können, wie sie sich aus den Wurzeln lösten.

Irgendwann hörte das Sprühen auf und ich wusste ohne hinzusehen, dass ich kein einziges Haar mehr an meinem Körper hatte. Es fühlte sich seltsam an und kühl, aber bevor ich frieren konnte, führten mich die Männer in eine warme Kammer, wo ich trocknen konnte und ließen mich dort allein. Ich kämpfte mit den Tränen, aber wollte diese Genugtuung der Wärternonne nicht geben, als sie mich abholte. Ich wusste ja, dass Erniedrigung zu den Hauptmotiven dieser Leute gehörte. So schnell wollte ich mich nicht brechen lassen.

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»So, ein Anfang ist gemacht«, meinte die Wärternonne. »Es liegt aber noch viel Arbeit vor uns. Komm mit!«

»Ein Anfang? Werde ich denn besser ›resozialisiert‹, wenn ich kein einziges Haar mehr habe?« Ich konnte es mir nicht verkneifen.

»Vermutlich weißt Du nicht, was die Heilige Schrift über das Haar einer Frau sagt, aber ja – es wird hilfreich sein, dass Du Deins verloren hast. Komm jetzt! Wir haben keine Zeit zu verlieren und ich möchte Dich nicht zwingen müssen.«

Wer schon einmal gehört hat, wie es in religiösen »Erziehungseinrichtungen« zugeht, weiß, welche »Zwangsmittel« es so gibt und dass die Palette der »Anwender«-Motive von Fanatismus über Skrupellosigkeit bis zu purem Sadismus reicht. Ich wollte mich daher lieber nicht zwingen lassen und trottete der Nonne brav hinterher. In einem Raum, der der Aufwärmkammer ähnlich sah, stand ein Stuhl-Ungetüm, dessen Zweck mir schnell einleuchtete. Ich versuchte, meine Angst nicht zu zeigen, als ich darauf festgeschnallt wurde. Dann kam eine Krankenschwester oder Ärztin in den Raum. Sie hielt eine Spritze in der Hand.

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Blitzschnell hatte ich das Ding in meinem linken Oberarm, aber zum Glück war der Einstich kaum zu spüren. Dann holte diese Frau jedoch einen Rollwagen und auf dem sah ich eine Nierenschale, in der etwa drei Dutzend Einmalspritzen mit unterschiedlichen farbigen Markierungen lagen. Mit diesen hantierte sie blitzschnell und stach mir gleich mehrere ins Gesicht. Panisch rief ich, »Was soll das?«, aber erhielt keine Antwort. Da ich meine Gesichtsmuskeln danach noch normal bewegen konnte, schien es sich nicht um Botox zu handeln. Bisher hatte es kaum wehgetan, aber das änderte sich, als die Frau zu zwei andersfarbig markierten Spritzen griff und sie mir jeweils in meine Brustwarzen injizierte. Ich hatte mich kaum von dem Schmerz erholt, als mein Unterleib an die Reihe kam. Die weitaus meisten Spritzen wurden mir in Vagina, Labien, Anus und sogar den Kitzler gestochen, was mir schließlich doch Tränen des Schmerzes in die Augen trieb. Ich schrie. Ich hätte genauso gut eine Wand anschreien können.

Als die Prozedur endlich beendet war und ich von dem Stuhl losgeschnallt wurde, spürte ich keine Veränderung im Gesicht, meine Nippel pochten und mein gesamter Unterleib fühlte sich irgendwie … taub und seltsam schwerelos an. Die Spritzenfrau, die überhaupt nicht auf mich reagiert hatte, ging und die Wärternonne legte mir wieder den Fesselgurt an. Vielleicht hatte ich bei der mehr Glück: »Was sollte das? Das waren fast vierzig Spritzen!«

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»Und jede bewirkt wahre Wunder«, faselte die Nonne.

»Mein Unterleib fühlt sich taub an und warum wurde mir ins Gesicht gespritzt?«

»Das waren sehr unterschiedliche Wirkstoffe. Ich bin keine Ärztin und weiß daher nicht, wie das alles im Einzelnen funktioniert. Ich weiß nur, dass es funktioniert.«

»Und wozu?«

Die Nonne seufzte. »Um die Ziele Deines Aufenthaltes hier schnell und nachhaltig zu erreichen. Du fragst zu viel, aber bis wir auch dagegen etwas tun können, wird jetzt zu Abend gegessen. Ich bringe Dich in Dein Zuhause für die nächsten sechs Monate. Komm mit!«

Hatte ich mit etwas anderem als einer Zelle gerechnet? Hatte ich gehofft, so nackt, wie es nur möglich war, wenn auch noch kein Härchen etwas verdecken konnte, keinem Mann mehr zu begegnen? Die Nonne »übergab« mich an einen männlichen Wärter, der eine Zelle aufschloss und mich wortlos mehr oder weniger hinein schubste.

Es war keine Einzelzelle.

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Zwei kahle Frauen saßen an einem Tisch mit Bänken. Die Größere war hellhäutig und die Kleinere war wohl asiatischer Abstammung. Beide hatten nackte Brüste, aber das war nicht der Grund, warum mir für einen Moment der Atem stockte.

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