| | Das Diadem
Welch ein Urlaub!
Nicht nur, dass meine Eltern mir zu meinem 18.
Geburtstag einen Wahnsinnstrip in den Orient spendierten
– ich durfte sogar meine besten Freundinnen Kim und
Sally mitnehmen.
Zwei Wochen in einem kleinen arabischen Emirat.
Sonne, Strand und das klare, warme Meer. Ein Hotel wie
ein Palast aus 1001 Nacht. Ein fürstliches Taschengeld.
Geil!
Mein Daddy war sogar so lieb, mir ein paar Extra-
Dollar für Kim mitzugeben, denn im Gegensatz zu Sally
und mir kam sie aus eher bescheidenen Verhältnissen.
Das Budget ihrer Eltern dürfte mit dieser Reise reichlich
strapaziert worden sein. Dennoch machten sie es möglich.
Das fand ich wirklich toll.
Während Sally manchmal ein ziemliches Ekel sein kann,
fand ich es immer total bescheuert – vor allem Kim
gegenüber – in irgendeiner Weise heraushängen zu
lassen, dass mein Vater einer der bestverdienenden
Beauty-Chirurgen in LA war. Es war nicht immer leicht,
denn Kims Dad, ein einfacher College-Dozent, konnte ihr
kaum ermöglichen, mit Sallys und meinen (vor allem aber
Sallys) Eskapaden mitzuhalten. Irgendwie schaffte ich es
dann aber doch, dass Kim dabei sein konnte, ohne dass
es zu peinlichen Momenten kam.
Zwischen Sally und Kim gab es hin und wieder kleinere
Zickereien. Einerseits, weil Sally zu gern die
Juwelierstochter raushängen ließ und andererseits, weil
Kim ihr regelmäßig die schärfsten Boys wegschnappte. Als
Sally und ich noch kein Kostüm brauchten, um uns als
Surfbretter zu verkleiden, war Kim schon eine regelrechte
Sexbombe. Naja – in den letzten Jahren hat sich das
alles relativiert, aber Sally ist immer noch ziemlich flach
und ich sehe ungeschminkt eher wie 16 aus. Kein
Wunder, dass die meisten Köpfe am Strand sich nach
wie vor nach Kim drehten.
In diesem Urlaub ging jedoch alles glatt. Es war
einfach zu schön. Entsprechend gedrückt war (trotz
klitzekleinen Heimwehs) die Stimmung, als der letzte
Urlaubstag anbrach.
Das „Anti-Frust-Shopping“ war – natürlich – Sallys
Vorschlag gewesen und so gingen wir kurz vor dem
Abflug noch zu dem kleinen Bazar, der am Vortag in der
Nähe des Hotels eröffnet hatte. An einem Schmuckstand
blieben wir stehen.
Sally, die sich durch ihren Dad natürlich bestens
auskannte, packte mich plötzlich am Arm und flüsterte:
„Das glaubst Du nicht! Der Scheiß hier ist echt. Lass
mich mal handeln!“
Das tat sie.
Laut lachend bestiegen wir kurze Zeit später den
Shuttle-Bus.
Wir hatten unser letztes Geld, fast 1000 Dollar,
ausgegeben. Eine Halskette für Sally, Ohrringe für Kim
und ein Diadem für mich (wie neckisch!), das nach Sallys
Meinung schon allein fast den zehnfachen Wert hatte.
Ich weiß nicht, ob es an unserem Gekicher lag, aber
offenbar hatte man es am Airport auf uns abgesehen.
Irgendwie regelrecht gezielt wurden wir alle drei aus der
kleinen Schlange der Wartenden herausgepickt und
einzeln mitsamt Handgepäck zum Filzen in dafür
vorgesehene Räume gebracht.
Vor einem Mann in Uniform (die sahen da unten
irgendwie alle wie Soldaten aus) musste ich meine
Reisetasche und die Handtasche öffnen. Den ganzen
Inhalt raus und wieder rein. Na gut, dachte ich. Der Typ
war höflich und sprach ein ziemlich gutes Englisch. Alles
schien relativ normal zu sein.
Zum Schluss lag noch das Diadem auf dem Tisch.
Mit ruhiger Stimme meinte der Mann: „Es sieht so aus,
als hätten Sie Ihre Reisehinweise nicht gelesen, junge
Lady.“
„Wieso?“
„Der Export von Schmuck aus unserem Emirat ist seit
einem Monat streng verboten.“
„Was?! Das wusste ich nicht. Die Unterlagen vom
Reisebüro sind schon sechs Wochen alt. Da stand nichts
dergleichen drin.“
„Sechs Wochen, hm? Da haben Sie aber Pech gehabt.“
„Dafür kann ich doch nichts! Ich meine, was passiert
denn jetzt? Muss ich das Diadem jetzt abgeben? Das war
teuer.“
„Das sieht man. Leider ist die Sache in Ihrem Fall
nicht so einfach. Der Grund für die Änderung der
Ausfuhrbestimmungen ist ein Einbruch in den Palast
seiner Hoheit, des Emirs. So etwas hat es seit
Generationen nicht gegeben. Seine Hoheit war außer sich.
5
Wissen Sie eigentlich, dass es in unserem Emirat immer
schon schönen Schmuck gab? Armreifen, Ketten, Ringe
aus Gold. Alles in der landestypischen, kostbaren, aber
einfachen Ausführung. Kein Stück in der Art wie dieses
hier. Wir werden das sehr schnell überprüfen, aber ich
schwöre schon jetzt auf den Propheten, dass dies ein
Stück aus der Sammlung seiner Hoheit ist. Der Versuch,
es außer Landes zu schaffen, ist, ob Sie es nun wussten
oder nicht, ein Schwerverbrechen. Es tut mir leid. Sie
werden Ihren Flug verpassen. Sie sind verhaftet.“
„Sie sind verhaftet.“
Mir wurde schlecht.
Das konnte doch wohl nicht wahr sein! | weniger Text | |
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